Stellen Sie sich für einen Augenblick vor, Sie wären Gott und hätten mit einem gewaltigen Urknall diese Welt geschaffen. Jetzt wollen Sie das Leben erzeugen. Wie würden Sie das gestalten? Etwa so wie das 3. Reich oder die DDR, alles unter Kontrolle? Oder eher so wie der Amazonas-Regenwald, alles mit allem vernetzt?
Das Leben ist die großzügigste, kreativste, flexibelste, nachhaltigste, Matrix, die wir kennen. Leider sind die gängigen Bilder vom Leben nicht so weitherzig. Das Leben ist hart, hört man oft, ist ungerecht, ist wie eine Hühnerleiter, kurz und beschissen, sagte meine Mutter oft. Wie soll denn dann das Leben anders sein als hart und ungerecht, kurz und beschissen?
Wann immer wir denken, das Leben sei hart, dann kann das Leben nicht anders, als uns die Härte präsentieren, die wir immer herbei reden. Das ist Resonanz, das ist die liebende Güte des Lebens, das uns schenkt, womit wir uns programmieren. Es ist der Wald, in den wir hinein rufen und aus dem es heraus ruft. Und wenn es heraus ruft, sagen wir: Siehste, habe ich doch gewusst! und übersehen dabei dass wir der Schöpfer/ die Schöpferin dieser Wirklichkeit sind.
Entscheiden Sie, ob Sie das weiter so treiben wollen. Es ist möglich ein anderes Echo zu erzeugen. Sie wissen inzwischen, wie das geht. Versuchen Sie einmal zu denken, ich öffne mich dafür, dass das Leben schöner ist, als ich bisher dachte, oder Ich beginne damit, auf mein Leben zu schauen, oder Mehr und mehr nehme ich die vielen Geschenke des Tages an.
Bewusst oder unbewusst leben?
Leben heißt Veränderung. Leben heißt zu wachsen. Leben will mehr Leben schaffen, verriet mir eine alte Indianderin. Diese Fülle nehmen wir oft nicht wahr. Alles was wir haben, nehmen wir gerne als selbstverständlich.
Weil wir es nicht dankbar annehmen und halten, können wir es auch nicht dankbar loslassen und merken empört auf, wenn ein Verlust oder eine notwendige Anpassung ansteht. Der Schmerz ist dann im Vordergrund. Erst Jahre später entdecken wir wir oft erst den Sinn einer Krankheit oder Trennung.
Wir lehnen uns auch gerne auf gegen Bestehendes und fühlen uns im Kampf dagegen wichtig. Wenn mein Partner, mein Chef, mein Nachbar doch anders wären, wie gut ginge es mir dann?. So oder ähnlich hat jeder schon gedacht. Dabei müssen Partner, Chef und Nachbar genau so sein, wie er oder sie sind, damit wir uns verändern, damit wir rund werden, damit wir sagen
Alles ist genauso, wie ich es brauche.
Alles was wir bekämpfen, kann sich nicht verändern, im Gegenteil, es kann sich nur verfestigen, weil wir ihm Aufmerksamkeit und Energie schenken. Alles was wir anerkennen, betten wir ein in den Strom unseres Lebens, der so groß und weit wird und nachhaltig sich verändert.
Schuld und Vergebung
Wenn wir einen Gegenstand loslassen, fällt er zu Boden. Diese Beobachtung hat unsere Wahrnehmung und unser Denken geprägt. Unbewusst übertragen wir diese Kausalität auch auf psychische Bezüge. In etwa: Mir geht’s schlecht, weil ich als Kind nicht genug geliebt worden bin, und Ich bin nicht genug geliebt worden, weil etwas mit nicht stimmte, oder Weil mein Partner mich verlassen hat… So verstricken wir uns mit der Erzeugung von Schuld.
Wer ist Schuld, wenn ein Stein zu Boden fällt? Die Erdanziehung? Sie sehen, wie absurd die Schuldfrage eigentlich ist. Niemand ist Schuld, wenn mich meine Eltern nicht so geliebt haben, wie ich es gebraucht hätte. Sie konnten einfach nicht anders, Punkt.
Besser von Schuld zu sprechen, ist es von Verantwortung zu sprechen. Sicher hat der Liebesmangel einen ungelösten Schmerz hinterlassen, über den noch zu sprechen ist. Die Schuldfrage zementiert das Problem allerdings. Man kann sein Leben lang naderen Menschen hinterher laufen und sagen Schuld, Schuld, Schuld, ihr seid Schuld. Eine gute Wirkung hat das nicht. Die Übernahme von Verantwortung führt aus dem Problem hinaus.
Alles war so, wie ich es gebraucht habe
Mit dem Anerkennen der Vergangenheit beginnen Frieden und Vergebung. Dann wird der Weg frei zu sagen, das, was ich bekommen habe – vor allem meine Leben – nehme ich gerne und für den Rest sorge ich selbst.
Die Geburt der Psyche
„Irgendetwas scheint mit mir nicht zu stimmen“ – Viele Menschen kennen diesen Gedanken und die damit einhergehenden Gefühle von Unzufriedenheit und mangelndem Selbstvertrauen. Die Ursache dafür liegt oft in der Kindheit. In der westlichen Erziehung ist es immer noch üblich, Kinder in ihrem Sosein nicht zu respektieren. Mit einseitigem Lob und Bestrafungen werden Kinder in eine bestimmte Richtung gedrängt, meistens im Sinne von Funktionieren und lieb sein.
Oft genug kommt ein psychischer Missbrauch hinzu: Eltern machen ihre Kinder zum Partnerersatz, lassen sich von ihnen emotional versorgen, binden sie mit einer umklammernden Liebe oder machen sie zu etwas ganz Besonderem, um ihrem Leben Glanz zu verleihen. So werden Kinder um ihr Eigenes betrogen und viktimisiert.
Die psychischen Folgen sind verheerend. Das Kind gerät in einen neurotischen Konflikt mit massiven Auswirkungen auf das spätere Leben.
Um zu überleben, braucht das Kind die Nähe der Eltern. Also passt es sich an und unterwirft sich den Forderungen der Eltern. Schmerzvoll verrät es sein Selbst. Dieses Ureigene ist aber nicht aus der Welt zu schaffen, sondern meldet sich immer wieder mit Wünschen, Bedürfnissen und Aggressionen, die jedes Mal aufs Neue abgewehrt werden müssen. Hier ist die Ursache für die tiefe Verzweiflung, die viele Menschen fühlen. Manche beschreiben dieses Gefühl auch als inneren Terror oder abgrundtiefen Schmerz.
Von den negativen Gefühlen abgesehen, spielt der Konflikt im Unbewussten. An der Oberfläche zeigt er sich an Verhaltensweisen, die Arbeit und Beziehungen belasten, teilweise unmöglich machen. Die erlernte Opferhaltung hat in der Kindheit erfolgreich das Überleben gesichert und wird deshalb unbewusst beibehalten. Bei derart viktimisierten Menschen lässt sich oft Folgendes beobachten:
Sie leiden und klagen oft. Dahinter steckt der unausgesprochene Vorwurf aus der Kindheit „Seht, was ihr mir angetan habt!“ Außerdem erzeugt das Leiden einen gewissen Lebensinhalt.
Um auf Distanz zu bleiben, sind sie kritisch gegen alles und jedermann, was bis zu Vorwürfen und Schuldzuweisungen führen kann.
Weil sie vielfach nicht zwischen respektvoller und missbräuchlicher Nähe unterscheiden können, bleiben sie lieber auf Abstand und unverbindlich. Sie lassen sich ungerne ein und bleiben unverbindlich.
Als Kinder mussten sie sich oft dankbar zeigen, auch wenn sie keine Dankbarkeit fühlten. Deshalb nehmen sie lieber nichts an.
Weil sie kein oder wenig Mitgefühl erfahren haben, können sie kaum Mitgefühl für andere Menschen empfinden. Stattdessen neigen sie zu Selbstmitleid.
Wie jeder Mensch übertragen sie ihre Erfahrungen unbewusst auf andere Lebenssituationen. So fühlen sie sich schnell abgelehnt und missachtet.
Ein Teil ihrer Unzufriedenheit rührt daher, dasssie es nicht gelernt haben, in Gefühle und gute aggressionen zu investieren. So bleibt ihr Leben oft unnötig blass.
So verwundert es nicht, dass sie eher autoaggressiv bzw. masochistisch sind, bisweilen sogar Selbstmord gefährdet. Allerdings findet man auch einen unempathischen Sadismus.
Süchte und alle möglichen Ablenkungen helfen ihnen, die unerträglichen Spannungen in ihrem Innern zu kompensieren. Oft genug zeigen sich diese Spannungen auch in psychosomatischen Beschwerden.
Mit diesen Verhaltensweisen bleiben die Betroffenen Gefangene im System der Unterwerfung und des Opferseins. Mit ihrer unadäquaten Auflehnung kämpfen sie gegen die ehemaligen Täter und bleiben so an sie gefesselt. Gleichzeitig erzeugen sie bei ihren Mitmenschen oft Ablehnung und reproduzieren so das alte Gefühl des Nicht-Verstanden-Werdens und des Ungewolltseins.
Was tun?
Nun ist die Frage, wie man aus dem alten System, was einst das Überleben sicherte, austreten kann.Der erste Schritt ist sicherlich, die Zusammenhänge von ursprünglicher Viktimisierung und dem Verharren im Opfersein zu verstehen. Dann kann man es wagen, Neues ins Leben zu lassen. Dazu gehört natürlich ein Gespür für das Eigene zu entwickeln: Was mag ich und was mag ich nicht? Was sind meine Wünsche und Bedürfnisse und wie bringe ich diese in die Welt?, lauten Fragen, die helfen innerlich autonom zu werden.
Genau zu überprüfen, was im Kontakt mit anderen Menschen passiert, gehört ebenso dazu: Warum treffe ich mich mit wem in welcher Situation? Sind Fragen, die aufdecken helfen, was man von anderen erwartet. Für eingespielte Beziehungen kann es hilfreich sein, die gewohnte Routine zu durchbrechen und mit dem Partner/ der Partnerin sich bewusst zu verabreden. Dabei lernt man immer besser zu unterscheiden zwischen nährenden und nicht so guten Beziehungen.
Sinnvoll ist auch zu überprüfen, wie andere Menschen auf mich reagieren. Oft sind die Reaktionen keineswegs ablehnend, sondern empathisch und wohlwollend. Das muss man sich bewusst machen, um das alte negative Erwartungsmuster aufzulösen.
Vor allem braucht es Geduld mit sich selbst, denn oft folgt auf zwei Schritten vorwärts ein Schritt zurück. Das ist richtig und gut, denn man muss sich rückversichern und die große Richtung stimmt ja sowieso.
Nicht zu ersparen ist das Durchleben der abgespaltenen Gefühle von Schmerz, Trauer, Wut und Liebe. Es ist die Unterscheidung von Sein und Nicht-Sein. So bedrohlich sich dieser Prozess anfühlt, er holt unser wahres Selbst zurück ins Leben. Er befreit uns von falschem Selbstmitleid und öffnet uns für echte Menschlichkeit.