
Psychotherapie Psychisches Geschehen ist sehr komplex. Es speist sich aus früheren Erfahrungen, Annahmen über die Wirklichkeit und Emotionen in der Gegenwart. Psychische Störungen sind in der Regel multi-kausal. In einer Psychotherapie ist ein mehrdimensionales Verständnis gefragt. Diese Dimensionen werden auch als die vier Fenster bezeichnet, durch die man schaut, um psychische Dynamiken zu verstehen:
• Das subjektive Erleben
• Der biografische Hintergrund
• Der kulturelle Kontext
• Was sagt die Wissenschaft !
Das erste Fenster der Psychotherapie: Das subjektive Erleben
Im Vordergrund einer Psychotherapie steht das subjektive Erleben eines Patienten bzw. einer Patientin. An der Art und Weise wie jemand seine Welt erlebt, gibt es nichts zu kritisieren; eine Erfahrung ist etwas sehr Persönliches, die vorurteilsfrei anzuschauen ist. Um zu verstehen, was in jemandem vorgeht, braucht es Zuhören und Mitgefühl. Oft hilft Trost, um etwas zu verändern.
Im weiteren Verlauf geht es eher darum zu untersuchen, was Probleme und Leiden verursacht. Hilfreich ist dabei zu erforschen, welche Gedanken, welche Gefühle und welche Körperwahrnehmungen jemand bei einem Erlebnis hat oder welche Gedanken, Gefühle und somatischen Wahrnehmungen ständig da sind.
In dieser frühen Phase der Psychotherapie geht es noch nicht darum, Deutungen über Ursachen anzustellen oder neue Verhaltensweisen einzufordern. Vielmehr brauchen es die gesunden Anteile der Patienten, gestärkt zu werden. Hier helfen Übungen, die Ressourcen bewusst machen und ausbauen. Wichtig können auch Übungen zur Selbstregulation und Techniken wie der Gedankenstopp sein, um weiteres Grübeln einzugrenzen.
Eine Einordnung der vorliegenden Störung kann entlasten genau wie eine Übersicht über Behandlungsmöglichkeiten und die Perspektiven einer Psychotherapie. Auch sollten Ziele vereinbart werden; die können konkret sein, wie das Ziel einen besseren Umgang mit Autoritäten, z.B. dem Chef, zu erarbeiten. Übergeordnete Ziele sind die Persönlichkeitsentwicklung, das Aufdecken von unbewussten psychischen Konflikten, die durch allmähliche schrittweise emotional integriert werden und eine verbesserte Selbstwahrnehmung, die mit dem Zuwachs von Selbstvertrauen einher geht.
Das zweite Fenster der Psychotherapie: Der biografische Hintergrund
Vor dem Hintergund der eigenen Biografie werden viele Verhaltensweisen erklärlich. Hilflosigkeit ist beispielsweise oft erlernt, auch selbstschädigendes Verhalten macht plötzlich Sinn, wenn man den Hintergrund versteht. Es ist nicht verwunderlich, dass jemand, der in einer emotional unsicheren Umgebung aufgewachsen ist, sich schwer tut, eine vertrauensvoll Sicht auf sich selbst und seine Mitmenschen zu entwickeln.
In diesem zweiten therapeutischen Schritt geht es darum zu erkennen, welche psychischen Muster durch ein spezifisches Eletrnhaus entstanden sind und wie diese in die Gegenwart hineinragen. Häufig kann man erkennen, dass ein Verhalten, welches jetzt im Erwachsenenleben dysfunktional ist, in der Kindheit durchaus geholfen hat, eine schwierige Kindheit zu bewältigen.
Der Blick in die Vergangenheit hat behutsam zu erfolgen. Viele Menschen haben früher Schlimmes erlebt. Eine unvermittelte Konfrontation damit, würde alte Wunden unnötig aufreißen. Deshalb darf immer nur so viel angeschaut werden, wie viel zumutbar ist und verarbeitet werden kann. So wird das Erlebte Schritt für Schritt integriert, so wird aus einer vermeintlichen Schwäche allmählich eine Stärke.
Das dritte Fenster der Psychotherapie: Der kulturelle Kontext
Unbewusst orientieren wir uns an den Menschen in unserer Umgebung. Man mag an Schwarmintelligenz denken. Wenn nun die Menschen um uns herum hektisch und nervös sind, fällt es schwer, gelassen zu bleiben. Wenn alle das Gefühl haben, immer mehr zu brauchen, fällt es schwer, zufrieden zu sein.
Es ist wichtig zu prüfen, inwieweit auch wir der „German Angst“ zum Opfer gefallen sind, inwieweit wir in der Narzismus-Falle stecken, inwiefern wir in unseren Partnerschaften aktuellen Beziehungsmustern folgen. Wenn ich beobachten kann, welche gesellschaftlichen Stimmungen und Trends unterwegs sind, kann ich prüfen, wie sie mich beeinflussen. Das kann mich entlasten und ich kann entscheiden, wie weit ich mitmache oder an welchen Stelle ich aussteige und sage: Ohne mich!
Das vierte Fenster der Psychotherapie: Was sagt die Wissenschaft
Die moderne Psychologie ist etwa hundert Jahre alt. Seit Siegmund Freud, dem Wiener Nervenarzt, werden psychische Prozesse beobachtet und wissenschaftlich beschrieben. Daraus ist ein komplexes System mit vielen Zweigen entstanden. Um einzuordnen, was Patienten berichten, muss man sich hier auskennen. Bauchgefühl alleine reicht nicht. Man muss wissen, was eine bestimmte psychische Störung ausmacht und wie man sie therapiert und was ein No Go ist. In der Fachliteratur sind oftmals ähnlich gelagerte Fälle beschrieben. Das kann die psychotherapeutische Exploration, die Erforschung, abkürzen und Hinweise für die Therapie geben.
Vor Therapeuten, die keine Ahnung haben und die glauben, mit nett sein wird alles gut, ist zu warnen; genauso wie vor denen, die schon alles wissen!