
Entstehung von Psychodynamik
Wie ein Mensch die Welt erlebt und mit welchen Erwartungen er an sie herantritt, wird geprägt durch die Erfahrungen mit seinen früheren Bezugspersonen. Die erste Person ist natürlich die Mutter, in deren Bauch wir heranwachsen. Nun ist es so, dass auch die beste Mutter der Welt nicht alle Bedürfnisse eines Säuglings erfüllen kann. So erlebt das Kind die Mutter einmal als lustvoll: sie gibt Nähe, Wärme und Nahrung; dann wieder ist die Mutter abwesend oder sie ist ungeduldig und hat gerade keine Kapazität, näher auf die Bedürfnisse des Babys einzugehen.
Bleiben diese Gegensätz in einem verträglichen Rahmen, lernt das Kind eine Menge über die Welt, anfangs verkörpert durch die Mutter – mal ist sie nett, mal schwierig auszuhalten – und über sich selbst: ich kann Lust und Unlust erfahren und diesen Wechsel aushalten, ich bin resilient.
Folgen einer dramatischen Psychodynamik
Schwieriger wird es wenn das Kind so starke Wechsel zwischen Zuwendung und Vernachlässigung oder sogar Ablehnung erlebt, dass es diese nicht kompensieren kann. Gibt die Mutter oder frühe Bezugsperson mal Nahrung und Geborgenheit und ist plötzlich wieder abwesend oder grob oder unnahbar, können diese gegensätzlichen Aspekte nicht mehr vereint werden und es kommt zu einer Spaltung im psychischen Erleben.
Im erwachsenen Leben zeigt sich dann oft in ein dramatisches Erleben. Betroffene erfahren die Welt oft als schwarz oder weiß. Sie werden hin und hergeworfen zwischen überaus positiven, fast himmlischen Erlebnissen und fürchterlichen, teilweise als lebensbedrohlich empfundenen Erfahrungen, die ihnen unverständlich bleiben und denen sie oft nichts entgegenzusetzen haben. Neutrale Erfahrungen bedeuten ihnen oft wenig und auch ihr Gefühlsausdruck ist häufig dramatisch. Die Psychologie spricht von High Expressed Emotions.
Über depressive Verstimmungen
Eine andere Folge der frühkindlichen Spaltung kann genau das Gegenteil bewirken. Um den unerträglichen Gegensatz zwischen lustvollen und bedrohlichen Erfahrungen zu mildern, fährt das Kind seine Emotionen herunter. Das psychische Erleben hüllt sich gewissermaßen in einen Nebel, um die scharfen Kontraste nicht mehr so krass zu fühlen. Die Folge ist eine Verarmung der emotionalen Affekte. Freude und Leid werden nicht mehr so intensiv erfahren, um sich vor Schmerz zu schützen.
Hier kann die Ursache für eine langanhaltende depressive Verstimmung liegen. Zurückhaltung und emotionale Distanz sind hier zu einem chronischen Muster geworden, aus dem sich herauszuarbeiten mühselig ist. Kontraproduktiv sind dann Coaches mit ihren illusorischen Versprechungen, die bei Nicht-Erreichen oftmals zusätzliche Schuldgefühle machen. Wichtig ist hier, die eigene Psychodynamik mithilfe eines Therapeuten zu erkennen und allmählich neue Formen zu entwickeln, um die die Erfahrung der Welt erfüllend und befriedigend zu gestalten.